Vier Nachrichter

von Josef Westner
 

ca. 1932, v.l.n.r.: Bobby Todd, Frank Norbert (Norbert Schultze), Helmut Käutner und Kurd E. Heyne

ca. 1932, v.l.n.r.: Bobby Todd, Frank Norbert (Norbert Schultze), Helmut Käutner und Kurd E. Heyne

Kabarett unterm Hakenkreuz

 
Unter dem Blickwinkel „Kabarett unterm Hakenkreuz“ wird im folgenden Beitrag die Geschichte eines Ensembles betrachtet, das Anfang der 1930er Jahre einen kometenhaften Aufstieg erlebte. Die zwanzig erhaltenen Aufnahmen vom „Commerziellen Tango“ über das „Lied vom nussbraunen Mädchen“ bis hin zur „Ballade vom trojanischen Krieg“ spiegeln die künstlerische Bandbreite der Gruppe wieder, die im heutigen Sinne kein klassisches Politkabarett brachte, in ihrer Satire aber auch vor politischen Entwicklungen nicht Halt machte. Dass auch Joseph Goebbels herzhaft über sie gelacht habe, wie man immer wieder zu lesen bekommt, dürfte ein völlig abwegiges Gerücht sein. Wenn, scheint dem Propagandaminister das Lachen irgendwann im Halse stecken geblieben zu sein.

Am Ende der so genannten Goldenen Zwanziger Jahre fand in München ein Ensemble zusammen, das die Kabarettszene der folgenden Jahre nachhaltig prägen und mitgestalten sollten. Das Seminar des Theaterwissenschaftlers Artur Kutscher, in dem Helmut Käutner, Kurd E. Heyne und Werner Kleine sich erstmals trafen, hatten vor ihnen auch so namhafte Kollegen wie Bertolt Brecht und Erwin Piscator durchlaufen. Als Studenten Kutschers hatten Käutner, Heyne und Kleine ihre Experimentierfreude auf den Bühnen schon mehrfach bewiesen, als sie im März 1930 auf einem Ausflug nach Orange in die Provence den angehenden Zahnmediziner Hans Karl Rohrer kennen lernten. Bobby Todd – wie er genannt wurde – befand, „dass die Theaterkarriere mehr Möglichkeiten für seine Komik bot als der Zahnarztberuf“, erklärt Heyne rückblickend. So wurden die „Vier Nachrichter“, in Anlehnung an die legendären „Elf Scharfrichter“ um Frank Wedekind, ins Leben gerufen. Am 15. Juli 1930 trat die Gruppe erstmals gemeinsam auf, eine gute Woche später feierte das erste abendfüllende Programm „Die Sonderbar“ beim traditionellen Sommerfest des Kutscher-Kreises Premiere. Auftritte im November 1930 in München und Nürnberg ebneten den Weg für eine steile Karriere, die spätestens mit dem vierzehntägigen Engagement im Münchner „Simpl“ Anfang 1931 nicht mehr aufzuhalten war. Die Nachrichter-Revue „Herz-A.G.“ wurde geschrieben, erste Platten besungen und ein erster Rundfunkauftritt absolviert. Bereits im September 1931 standen sie – so die Süddeutsche Morgenpost – im Ruf, „die vier populärsten Münchner“ zu sein (obgleich keiner von ihnen gebürtiger Münchner war). Mit ihren frischen Ideen, ihrem frechen Humor und ihrem ungezwungenen Auftreten hatten sie ihr vornehmlich junges Publikum im Sturm erobert.

Vier Nachrichter - 2

Als es in Stuttgart im Herbst 1931 zum Zerwürfnis mit Mitbegründer Werner Kleine kam, stand außer Frage, dass die Gruppe fortgeführt werden sollte. In Norbert Schultze fand man geeigneten Ersatz – zumindest musikalisch geeignet, denn man hatte etwas an seinem zu preußisch klingenden Namen auszusetzen: Für den werde ihn das Publikum hänseln. Kurzerhand wurde aus seinem und dem Namen des Vorbilds Frank Wedekind das Pseudonym Frank Norbert, unter dem Schultze auch die Probevorstellungen in Berlin im Dezember 1931 absolvierte. Noch während der Vertragsverhandlungen – unter anderem mit Werner Finck von der „Katakombe“ – erlebte das neue Stück der Nachrichter in München seine Uraufführung. Mit „Hier irrt Goethe“ persiflierten sie die Konsummaschinerie, die anlässlich des 100. Todestages des Dichterfürsten angelaufen war. Politisch eckten die Nachrichter damit zum ersten Mal so sehr an, dass ein Lied aus dem Stück verboten wurde. Die Stuttgarter Polizeibehörden untersagten am 23. Februar 1932 weitere Aufführungen des Titels „Ufa-Männchens Wachtparade“, in dem Freiherr von Stein im Park von Tiefurt auf Geheimrat Goethe trifft, wie Norbert Schultze die Szene in seiner Autobiographie beschreibt:

Stein: Verzeiht, ich hört Euch deklamieren…
Goethe: Ich hatte noch nicht das Vergnügen…
Stein: Schade – bitte bleiben Sie bedeckt!
Goethe: Danke, rühren! – Wo gedient?
Stein: Zuletzt bei der UFA!
Goethe: Sollte das nicht ein ausgezeichneter Übergang zu einem neuen Schlager sein?
(Musikeinsatz ‚Heinzelmännchens Wachtparade’) – Bitte, Herr Kapellmeister!
Stein: Ich war Ulan bei dem vierten Infant’rieregiment
zu Fuß, zu Pferd, zur See.
Ich hab’ ein Jahr als Soldat bei der UFA gedient
zu Fuß, zu Pferd, zur See.
Und die Sonne ging auf hinterm Hugenberg,
denn die UFA weiß recht gut, was sie tut:
Wenn das liebe Militär
im Film nicht mehr wär’,
dann verdiente ja die Firma nicht so gut!
Darum heißt das Losungswort der UFA-Direktion:
‚Augen rechts’ – die ganze Produktion!
(Girls marschieren herein. Casanova läßt es sich nicht nehmen, unvermutet und unmotiviert zu erscheinen und den zweiten Vers zu singen:)
Casanova: Ich war Kosak bei dem vierten roten Garderegiment
zu Fuß, zu Pferd, zur See.
Hab’ als Matrose auf der Potemkin gedient
zu Fuß, zu Pferd, zur See.
Und in Asien, da wurde marschiert und gedreht,
denn der Sowjet, der weiß recht gut, was er tut:
Wenn der böse Weißgardist
im Russenfilm nicht ist,
ja, dann geht der Film im Ausland nicht so gut!
Darum heißt das Losungswort der Sowjetkommission:
‚Augen links’ – die ganze Produktion!
(Nun ist Goethe nicht mehr zu halten und steuert die dritte Strophe bei:)
Goethe: Ich war Edelstatist im EMELKA-Konzern
zu Fuß, zu Pferd, zur See,
spuilte die Deppen, die edlen und besseren Herrn
zu Fuß, zu Pferd, im Schnee.
Und da haben wir gefensterlt und gesoffen Tag und Nacht,
und da haben wir von Edelmut getroffen Tag und Nacht!
Wenn der Heimatfilm nicht wär’
und die kurze Wichs nicht mehr,
ja, dann ging der deutsche ‚Fuim’ nur halb so gut!
Darum heißt das Losungswort der Bavaria-Direktion:
‚Augen zua’ – die ganze Produktion!

 
Vier Nachrichter - 3

Der Filmauftritt der Vier Nachrichter in „Panzerkreuzer Emden“ dürfte die Urteile des Liedes durchaus bestätigt haben. Am 8. April feierte „Hier irrt Goethe“ seine umjubelte Berlinpremiere, zu der selbst der berühmt-berüchtigte Kritiker Alfred Kerr seinen Segen gab. Was dann folgte, war ein einziger Triumphzug – quer durch Deutschland, nach Österreich und in die Schweiz. Bis zur letzten Aufführung Anfang Februar 1933 hatten die Vier Nachrichter ihren irren(den) „Goethe“ mehr als 300 Mal gespielt! Dazwischen lagen erfolgreiche Plattenaufnahmen auf Gloria und Telefunken, unzählige Rundfunkauftritte und nicht zuletzt zwei Besetzungswechsel: Otto Trefzger und Romanus Hubertus saßen nacheinander am Klavier, nachdem Norbert Schultze den Posten Mitte 1932 verlassen hatte. Für das Publikum dirigierte und begleitete weiter Frank Norbert – das Pseudonym konnte wohl wegen vertraglicher Verpflichtungen nicht abgelegt werden.

Das neue Programm der Vier Nachrichter, das am 24. Februar Premiere hatte, stand ganz unter dem Zeichen der politischen Entwicklungen, wie Kurd E. Heyne 1955 in einer Rundfunksendung schilderte: „Wir nahmen den alten Stoff von des Esels Schatten und maßen ihn der Parteipolitik von damals an. Ende Januar 1933 aber war Hitler Reichskanzler geworden. Er sprach gerade im Münchner Bürgerbräukeller, als das Plakat unserer neusten Premiere erschien. Und so prangten an den Säulen untereinander der Name ‚Adolf Hitler’ und der Titel unseres neuen Stückes ‚Der Esel ist los’! Diese nicht gerade freund-nachbarliche Zusammenstellung blieb künftig ein Symbol für uns – als der Reichstag brannte, ließen wir unseren Esel los. Obwohl das Stück in Griechenland und in der Antike spielte, sah das Publikum lauter Parallelen – und das sollte es auch. Aber Dr. Goebbels sah sie ebenfalls und ihm gefiel das längst nicht so wie unseren Besuchern, die nun täglich zahlreicher wurden und Abend für Abend auf neue Improvisationen über die Tagesereignisse warteten.“ In Berlin durfte das Stück Ende April erst nach einer inoffiziellen Vorpremiere für die Zensur auf den Spielplan, wurde aber schon wenige Wochen später wieder abgesetzt. Mit einer überarbeiteten Fassung ging man am 17. Juni in Leipzig wieder an die Öffentlichkeit und startete eine neuerlich erfolgreiche Tournee, die das Ensemble unter anderem nach Würzburg, Kassel, Hannover, Bonn, Wiesbaden, Darmstadt, Magdeburg, Frankfurt am Main, Mannheim, Koblenz, Dortmund, Mainz, Braunschweig, Hamburg und Breslau führte. Während der Sommerpause 1933 hatten die Nachrichter wieder einen neuen Frank Norbert gesucht und gefunden: Rolf Hänsler übernahm den Part als Dirigent und Pianist.

„Der Esel ist los“, 1933, v.l.n.r.: Frank Norbert (Romanus Hubertus), Helmut Käutner, Kurd E. Heyne und Bobby Todd

„Der Esel ist los“, 1933, v.l.n.r.: Frank Norbert (Romanus Hubertus), Helmut Käutner, Kurd E. Heyne und Bobby Todd

Versteckte Witze über die nationalsozialistische Rassenlehre wurden für die Kabarettisten Anfang 1934 zum Ernst. Man tolerierte großmütig die „jüdische Versippung“ Heynes, der 1933 eine Jüdin geheiratet hatte. Der im nationalsozialistischen Vokabular so genannte Halbjude Bobby Todd aber musste das Ensemble verlassen, zumindest pro forma. Denn in der ihnen eigenen pragmatischen Art hatten die Vier Nachrichter eine einfache Lösung gefunden: Todd trat zwar am 21. März 1934 als Gesellschafter zurück, blieb der Gruppe aber als Angestellter erhalten – er trat weiterhin als Autor und Darsteller in Erscheinung.

Parallel zu den letzten Aufführungen von „Der Esel ist los“, liefen die Vorbereitungen eines neuen Singspiels an. Am 4. Mai 1934 „brachten wir uns drittes Stück heraus, ‚Die Nervensäge’, eine Parodie auf die Hochflut der Kriminalromane, die unter vielen Erfolgen auch den hatte, dass der Absatz der Detektiv-Schmöker enorm stieg. Das Stück war ganz unverfänglich, aber unser Publikum fand wir hätten mit der irischen Großmutter vielleicht doch die arische Großmutter gemeint und noch viel schlimmeres. Der Druck wurde täglich schwerer und immer mehr Kollegen fielen um. Charakter war so selten geworden, dass sich manche zwei bis drei zulegten, um auf jeden Fall gerüstet zu sein. Sie handelten klug, denn man findet sie heute vorzugsweise in den besten Positionen wieder“, so Kurd E. Heyne im Rückblick von 1955.

In der Rolle des Dr. Mabuse war Norbert Schultze zu den Vier Nachrichtern zurückgekehrt, während Rolf Hänsler als Kapellmeister das Pseudonym Frank Norbert weiterhin nutzte, bevor er die Gruppe im Juli 1934 verließ und Schultze seinen alten Posten bis Ende des Jahres wieder übernahm. In Willy Sommerfeld fand man schließlich einen letzten Frank Norbert, der den Kollegen auch politisch näher stand als sein Vorgänger. Für die Stelle empfohlen hatte ihn sein Braunschweiger Theaterdirektor, der ihn ob seiner offenzüngigen Regimegegnerschaft gerne anderweitig beschäftigt sah. Kritik am NS-Regime wurde zwar nicht offen ausgesprochen, was wohl auch kaum ratsam gewesen wäre, schwang zwischen den Zeilen aber immer mit. Als man kurz nach der Uraufführung der „Nervensäge“ die Paradenummern des Stücks auf Platte bannte, ließ man die dritte Strophe des „Chansons vom Aberglauben“ vorsichtshalber weg, wie der Text für sich selbst sprechend erklärt:

„Es gibt viele Leute, die glauben zu meinen,
die Nachrichter müssten politischer sein.
Man kann sich nicht völlig der Ansicht verschließen,
doch liegt es sehr nah, and’rer Ansicht zu sein.
Es gibt Aktuelles in Hülle und Fülle,
ich lass mich verleiten, politisch zu sein…
Vielleicht fällt mir was ein,
vielleicht fällt man auch rein.
Ich singe nicht laut, ich sing’ vor mich hin,
nur weil ich so furchtbar – vorsichtig bin.“

Bei den Proben zu „Die Nervensäge, von hinten nach vorne: Helmut Käutner, Frank Norbert (Willy Sommerfeld) und Kurd E. Heyne

Bei den Proben zu „Die Nervensäge, von hinten nach vorne: Helmut Käutner, Frank Norbert (Willy Sommerfeld) und Kurd E. Heyne

Nach der Sommerpause 1935 waren nicht nur beim Publikum genug Nerven gesägt worden, wie es scheint. Ein Brief Kurd Heynes an Bobby Todd vom Juni 1953 – hier ausuzgsweise wiedergegeben – listet die Stationen rund um die Arbeit am neuen Stück „Der Apfel ist ab“:

27. Juni 1935 ‚Apfel’ fertig
6. Juli Ferien
27. Juli Hinkel beginnt sein Amt als Kommissar zur Überwachung der Zusammenarbeit von Ariern und Nichtariern, Mischehen etc.
10. August Ausweisung aus Egern-Rottach
26. August Unterredung mit Reichsdramaturg Schlösser über ‚Apfel’
27. August Aufführung des ‚Apfels’ abgelehnt
29. August Anfragen der Theaterkammer und der Genossenschaft wegen Bobby
3. September Anfrage der Theaterkammer wegen Edith
21. September Theaterkammer verbietet eine Auslandstournée
30. September Bescheid der Theaterkammer: Entzug der Konzession
1. Oktober Kurd erhält Auftrittsverbot
2. Oktober Besprechung in Berlin: Bobby und Kurd können nicht weiter auftreten. Müte [Helmut Käutner] darf. Die Firma NACHRICHTER aufgelöst.

 

Der Entzug der Auftrittskonzession kam einem Verbot gleich. Dass die letzte Aufführung der „Nervensäge“ vor der Sommerpause in Köln auch die letzte der Vier Nachrichter war, hatte niemand geahnt. Die Weiterbeschäftigung Bobby Todds und das kompromisslose Festhalten Heynes an seiner Ehefrau Edith hatten die Reaktion der Machthaber wohl ebenso heraufbeschworen wie die nur scheinbar unpolitische Haltung der Gruppe, die es glänzend verstanden hatte, nationalsozialistische Vorgaben zu unterwandern.

Der Weg der einzelnen Nachrichter durch die NS-Zeit war fortan ein sehr unterschiedlicher. Bobby Todd emigrierte noch 1935 und fand in Roms Cinecittà ein leidliches Auskommen. Auch Helmut Käutner landete beim Film – jedoch im Deutschen Reich, wo sein Erfolgsweg als Regisseur aber auch nicht durchgehend leicht war: Seine Filme „Große Freiheit Nr. 7“ und „Unter den Brücken“ erlebten ihre Uraufführung erst nach Kriegsende. Den vielleicht steinigsten Weg hatte Kurd E. Heyne zu bewältigen, dessen jahrelangem Kampf um eine Auftrittserlaubnis kein Erfolg beschieden war. Den Lebensunterhalt seiner Familie bestritt er mit Revuen und Theaterstücken, die er zum Teil gemeinsam mit Helmut Käutner verfasste. Der Nachrichter-Kollege sprang Heyne auch bei, als dieser im September 1936 von der Gestapo verhört wurde. Da nach dem Ausschluss aus der Reichstheaterkammer von 1935 im Frühjahr 1937 auch die Musik- und die Schrifttumskammer nachzogen, war Heyne jede Arbeitsgrundlage entzogen. Es gelang dennoch, einzelne Stücke wie die Revue „So leben wir“ zu veröffentlichen. In überarbeiteter und gekürzter Form erlebte auch „Der Apfel ist ab“ noch seine Aufführung – am 1. September 1938 im Kabarett der Komiker, unter der alleinigen Autorschaft von Helmut Käutner. Wenig später kam Heyne auf Vermittlung eines ehemaligen Nachrichter-Sekretärs am Stadttheater Basel unter, wo im November des Jahres das erste von ihm inszenierte Stück aufgeführt wurde. Bis in Basel eine ausreichende Existenzgrundlage geschaffen war, sollte Ehefrau Edith bei ihren Eltern in Nürnberg bleiben. Am 9. November 1938, als die Ausschreitungen gegen Juden auch in Nürnberg eskalierten, wurde die Hochschwangere so schwer misshandelt, dass ihr Sohn später behindert zur Welt kam. Der Marsch Norbert Schultzes führte derweil in eine andere Richtung: Er machte sich – neben seinen Opern – auch als Komponist von Propagandaliedern wie „Bomben auf Engeland“ oder „Von Finnland bis zum schwarzen Meer“ einen Namen in höchsten Kreisen. Im Juni 1941 rief Joseph Goebbels, wie er in seinem Tagebuch ausführlich schildert, einen regelrechten Kompositionswettstreit um ein „neues Russlandlied“ zwischen Herms Niel und Schultze aus. „Die von Schultze ist besser“, konstatiert der Propagandaminister und notierte nach der ersten Sendung einen Tag später: „Unser Lied gefällt überall. Es wird ein großer Schlager werden.“ Schultze komponierte in den folgenden Jahren, wie Helmut Käutner später urteilte, „eine Menge Dinge, von denen ich lieber wüsste, dass sie nicht von Norbert Schultze sind, mit dem wir sehr befreundet waren.“

Nach dem Krieg schrieben Bobby Todd und Helmut Käutner das einstige Bühnenwerk „Der Apfel ist ab“ zum Filmdrehbuch um, das – trotz der zeitgenössischen Verrisse – ein sehenswerter Nachklang der Vier Nachrichter wurde. Kurd E. Heyne arbeitete nicht mehr an dem Film mit, war seinen alten Kollegen aber in Freundschaft verbunden. Seine „melankomischen“ Worte darüber sind zweifellos ein passendes Schlusswort dieses Artikels über das Kabarettensemble: „Wiedersehen macht Freude, sagt man. Es kommt darauf an, mit wem. Wenn man jemand tausend Jahre nicht gesehen hat, kann er sich inzwischen verändert haben. Manchmal muss man sich die Hand waschen, nachdem man sie jemand gereicht hat, und wird nach bitteren Erfahrungen vorsichtig. Als ich Helmut Käutner wiedersah und die ersten Worte mit ihm wechselte, war das ein so beglückendes Gefühl alter Vertrautheit, dass wir beide sagen konnten: ‚Wo sind wir gestern unterbrochen worden?’ Die Jahre der Trennung von 1935 bis 1947 waren überbrückt; wir sprachen noch dieselbe Sprache. 1935 waren wir in Deutschland ‚unterbrochen worden’, hier fingen wir wieder an, und der Ton war der gleiche. Als Nachrichter köpften wir die Schädel, die wir sahen, in der Erkenntnis, dass die Lächerlichkeit eine furchtbare, tödliche Waffe ist. Jahrelang bespielten wir mit unseren eigenen Stücken in großen Tourneen 144 Theater. Dann kam Hitler. Wir hielten den Mund nicht, bis sie uns verboten. Goebbels konnte nicht über uns lachen, er nahm unsere Tätigkeit ernst, von seinem Standpunkt aus mit Recht. Schon lange hatten wir eine Schlinge um den Hals, 1935 zog er sie zu. Das Dritte Reich machte uns mundtot.“
 

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Über Willy Sommerfeld, der noch mit über 100 Jahren als Stummfilmpianist aktiv war, hat Ilona Ziok eine hervorragende Film-Dokumentation mit dem Titel „The sounds of silents“ gedreht, die ich allen Interessierten an dieser Stelle ebenfalls gerne ans Herz lege. Ohne dieses Dokument sowie die umfassende Hilfe zahlreicher Sammlerkollegen, Historiker, Zeitzeugen und Angehöriger der Vier Nachrichter wäre dieser Artikel nicht möglich gewesen. Bei ihnen allen möchte ich mich herzlich bedanken! Namentlich genannt seien Myriam Abeillon (von CV Films), Helli Bootz, Dr. Reinhard Figge, Tina Keller vom Theater Basel, Dr. Michael-W. Kleine, Prof. Dr. Klaus Krüger, Karsten Lehl, Dr. Rainer Lotz, Dr. Torsten Musial vom Archiv der Akademie der Künste, Herrn Nickel vom Stadtarchiv Braunschweig, Theo Niemeyer, Henner Pfau, Dirk Schortemeier, Volker Schrewe, Tim Schwabedissen von der Universitätsbibliothek Kiel, Doris Sommerfeld, Sebastian Sommerfeld, Matthias Thiel vom Deutschen Kabarettarchiv e.V. sowie Andreas Wellen.
 

(Dieser Artikel ist ursprünglich im Rahmen der Internetpräsenz Grammophon-Platten.de erschienen.)